Sonntag, 21. April 2013

Tomatensalat








Gestern Abend war es wieder so weit. Zottel und ich zogen los. Container-Karli war heute nicht mit von der Partie. Er wollte einen ruhigen, normalen Samstagabend im Drogenparadies Zürich verbringen. Also tingelte er besoffen durch die Clubs und fluchte, wenn man ihn nicht ins Casino ließ, weil er zu betrunken war. Das dicke Ende sollte aber noch kommen.

Zottel war guter Dinge und fuhr wie immer den Wagen. Er erzählte von seinem letzten Date, das sich als ganz normale Schweizerin entpuppte, die lieber im Lidl einkaufen geht und von Containern nichts versteht. Sie steht morgens früh auf, um den Bus zur Arbeit pünktlich zu erwischen und freut sich auf die Ferien. Das waren die Eckdaten ihres Lebens. Zottel roch einen ereignislosen Lebensabend mit dieser Dame und war froh, als sie sich voneinander verabschiedet hatten. "Die nächste, bitte!", rief er in einer der scharfen Kurven der Züricher Pampa und drückte aufs Gas. 

Unsere Beute, ich muss mich leider kurz fassen, bestand aus mindestens 30 Kilo Tomaten und anderem Beigemüse. Viele süße Birnen, Grießpudding, Peperoni (Vitamin C!) und sogar zwei Lachsfilets, noch tiefgefroren, und ein Kilo Hühnerbrust. Endlich was für meinen Kater! Doch das Beste war Zottels Fund frischen Knoblauchs. Das hatte ich mir schon so lange gewünscht! Völlig aus dem Häuschen und mit einem irren Lachen fuhren wir zurück. 

Zu Hause erwartete uns ein schnarchender Karli, der so voll mit Drogen war, dass er erst von den ersten Tomaten-Sugo-Schwaden wach wurde. "HUNGER!", grunzte er. Als er seine schmalen Drogen-Äuglein öffnete, rieb ich ihm einen fetten, unveganen und daher für mich ungenießbaren Aprikosenkuchen unter die Nase. Er biss mir fast in den Finger. 

Zottel briet marinierte Fisch-Grill-Dinger und trank Rotwein – meine Linsen-Reste vom Mittag und Erdbeeren garnierten seinen Teller. Ich toastete eine Scheibe Pumpernickel und klatschte gebratene Shii-Take-Pilze mit Knoblauch und Zwiebeln darauf und aß mit Messer und Gabel. Unter dem Pilz-Knoblauch-Brei war eine Lage Feldsalat, die beim Kauen ein Knacken auslösen sollte, doch es blieb aus. Feldsalat ist eine sehr zarte Angelegenheit. Schweizer kennen ihn als "Nüsslisalat". 

Karli kaute und staunte. "Tomaten?" – "Ja, Tomaten." 

So, ich muss jetzt gehen. 


1 Kommentar:

  1. Wie würden Sie es nennen, wenn Sie für eine Vollzeitstelle bei der Migros oder bei Aldi 4000 Franken verdienten, und am Abend keine der übrig gebliebenen Lebensmittel nach Hause nehmen dürften? Die Sachen stattdessen in den Container werfen müssten? Nicht mal reduziert erhalten? Pervers? Richtig! Wir auch.
    Wenn eine Angestellte / ein Angestellter etwas von diesen Sachen mitnehmen würde (und dabei erwischt würde) riskierte sie/er dafür die fristlose Kündigung.
    Es wäre mehr als eine nette Geste des Unternehmens ihre Angestellten mit Gratisessen zu versorgen, bei diesem bescheidenen Lohn.
    Es passiert nicht, aus fadenscheinigen Gründen, beispielsweise wegen einem Hygienegesetz.
    Nun, WIR arbeiten nicht bei einem Grossisten, und wir holen uns alles was das Herz begehrt. Aus den Containern.
    Viel Spass beim Nachdenken.

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